Stück

An der Wende zum 18. Jahrhundert ereignete sich im schwedischen Falun ein bemerkenswertes Bergunglück: Ein Knappe wurde am Tag vor seiner Hochzeit verschüttet und nicht mehr gefunden. Seine Braut blieb ledig und behauptete, der Verschwundene werde einmal wiederkommen. Als nun nach fünfzig Jahren ein neuer Schacht angeschlagen wurde, fand man darin einen Toten, der, ganz in Vitriolwasser getränkt, die Zeit unter der Erde vollkommen unversehrt überstanden hatte. Die Menge, die dieses Wunder bestaunte, konnte sich nicht an ihn erinnern, bis endlich auch die mittlerweile greisenhafte Braut am Stollen erschien und in dem Toten ihren verschollenen Geliebten erkannte.

Gotthilf Heinrich Schubert, der das seltsame Wiedersehen in seinen „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ 1802 schilderte, löste damit eine fast unvorstellbare Flut von literarischen Verarbeitungen des Stoffes aus – kein Wunder, wenn man bedenkt, wie sehr sich das Geschehen mit archetypischen Vorstellungen trifft. Innerhalb von kurzer Zeit erschienen über dreißig Novellen und Gedichte über das Schicksal des schwedischen Knappen, Hugo von Hofmannsthal verfasste ein Drama, Richard Wagner ein – unvertontes – Opernlibretto.

Eine besonders reiche und interessante Bearbeitung stammt von E.T.A. Hoffmann, der die Geschichte seines Elis, wie er den Bergmann nennt, um einen wesentlichen Aspekt erweitert: Bei ihm ist es nicht mehr ein Bergunfall, der sein Opfer fordert, sondern die im Berg wohnende Kupferkönigin selbst, die Elis von seiner Braut weg und in ihre eigenen Arme zieht – eine chthonische Geliebte, darin Thannhäusers Venus und der Circe des Odysseus gleich.