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Die Geheimnisse des Waldes
Der Wald als Bühne. Ein Berg als Schauspielhaus. Auf dem Großen Asitz in
Leogang ist ein unkonventionelles Kunst-Stück zu sehen. Stille. Nur das Pfauchen eines Düsenjets am Abendhimmel ist zu hören. Dann wieder Stille. Sieverunsichert. Denn nichts regt sich. Minuten vergehen. Nur langsam werden die Akteure des Spiels sichtbar. Als Fabelwesen bewegen sich diese Zwittergestalten, halb Mensch, halb Tier, über die Lichtung. Kommen aus dem Unterholz. Stehen an der Kante der Senke, verschwinden am Horizont oder kriechen langsam vom Baum. So, als erwache das Baummoos zum Leben. Die Wesen geben Urlaute von sich. Klagend. Lockend. Ihre Bewegungen sind provokant langsam. Gesten nur. Meditative Töne, gespielt auf einer slowenischen Hirtenflöte, setzen immer wieder akustische Fixpunkte, halten so den Strang der Spannung aufrecht. Es gibt keine Handlung. Keinen vordergründigen Dialog. (...) Die Zuschauer sitzen auf kleinen Isomatten im Moosbeergestrüpp. Sie staunen, schmunzeln, verstehen, versuchen zu verstehen, oder schütteln den Kopf. Am Ende des Stücks erzählt ein Schauspieler die Geschichte seines Urgroßvaters und wirft damit eine Münze in den Brunnen der Erinnerung jedes einzelnen Zuhörers. (...) Wer in den Wald will, um „Im Wald“ zu sehen, muss erst durch touristisch extrem genütztes Gelände. (...) Der Wald, der für all das weichen musste, sichert so über seine Tage hinaus die wirtschaftliche Existenz des Ortes. Doch mit dem Wald verschwanden auch seine Geheimnisse. ortszeit schlägt eine Brücke dazu. Noch gibt es Wälder, in denen Platz für Fabelwesen und die Fantasie ist, und die stets aufs Neue die Seele berühren. |
Heinz Bayer, Salzburger Nachrichten 19. Juli 2010
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Ein Ort der Dunkelheit und Angst
Der Bedeutung des Waldes als archetypischer Raum und als Metapher für innere Zustände widmet die Gruppe ortszeit ihr jüngstes Theaterprojekt IM WALD.
Das Stück entledigt sich in der freien Natur sämtlicher herkömmliche Theater-gesetze: Alles ist Bühne, und Waldameisen sind die Sitznachbarn - übliche räumliche Theaterhierarchien sind aufgehoben. (...) Regisseurin Reisenberger und ihr Team schöpfen aus einem Fundus von kulturgeschichtlichen und philosophischen Ideen über diese Symbolwelt: indianische Überlieferungen, Dante oder Märchen der Gebrüder Grimm, bei denen Zauberwälder und Hexen-Waldwesen eine wesentliche Rolle spielen. Nicht von ungefähr entstand die Märchensammlung in der deutschen Romantik. (...) Märchen liefern wundersame Gegenwelten, oft vor der Kulisse des Waldes, und greifen zugleich uralte Ängste der Menschen auf, etwa die Angst vor Dunkelheit. Da Romantik aber mehr ist als eine Epoche, nämlich eine zeitlose seelische Disposition, spielt ortszeit mit diesen symbolischen Ebenen. Die freie
Form samt der Improvisationsidee lässt einerseits dem Publikum den beabsichtigten Spielraum, sich eigene Geschichten im Kopf zusammenzuspinnen, andererseits besteht dabei immer auch die Gefahr des Kippens in mystisch-mythische Esoterik. US-Philosoph Henry David Thoreau, Vordenker der Umweltschutzbewegung und ebenfalls Inspirationsquelle für IM WALD, belegt, dass Naturschwärmerei und spirituelle Sinnsuche sehr wohl mit Sozialkritik und politischer Rebellion kompatibel sein können, ja sogar zusammengedacht werden sollten. |
Gerhard Dorfi, Der Standard 21. Juli 2010
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Spannende Premiere des neuen Stückes IM WALD
„Im Wald“, auf einer Lichtung, lassen sich die Zuschauer an einem Platz ihrer Wahl nieder. Gespannt erwarten sie, was kommt. Geräusche, Klänge, Stimmen erfüllen sanft den Raum, laden ein, sich auf die Magie, die Mystik, das Sein des Waldes einzulassen und gleichzeitig nach innen zu hören. Wesen zeigen sich, begegnen einem Mensch, der zuerst blind und taub ist für das vielfältige Leben, das ihn umgibt. Zu sehr ist er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, beladen mit offensichtlich unnützen Dingen an einem Ort, der ihm nah und doch so weit entfernt zu sein scheint. Jedem Zuseher eröffnet sich eine eigene Welt – jene, die ihm selbst gerade offen steht. Jeder folgt seiner eigenen Geschichte. Nicht Worte sind es, die diese Geschichte(n) erzählen; vielmehr nimmt man mit all seinen Sinnen, mit dem Herzen wahr, dass sich hinter der scheinbar realen Wirklichkeit sehr viel mehr verbirgt, als man auf den ersten Blick erkennen kann. Sich einlassen auf das, was geschieht, sich öffnen für das Dahinter – wertfrei und erwartungslos (...) Die Künstlergruppe hat sich wieder intensiv auseinandergesetzt mit dem Ort, dem überall gegenwärtigen Wald. Entstanden ist eine ganz besondere Produktion, die sich in jeder Aufführung anders zeigt; ein Stück, das nicht belehren will, sondern dem Besucher die Freiheit gibt, das zu sehen und zu lernen, wozu er gerade bereit ist. |
Doris Frick, Pillerseebote 30. Juli 2010 |
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Geheimnisvoller Wald
Eine Gruppe junger Schauspieler verzauberte auf der Lichtung eines Pinzgauer Berges einheimische Wanderer und Touristen, Familien mit Kindern aller Altersstufen und sogar verwöhnte Theaterfans: Diesen Sommer – und hoffentlich auch nächsten. (...) Selten ist Theater so sehr mit den Zuschauern verwoben. Vom Verhalten, von der Solidarität mit den Darstellern wird der Verlauf der Aufführung abhängig sein, denn Stimmung, Faszination und Konzentration werden gemeinsam erschaffen. Dieser Prozess ist spannend. Die Künstler spiegeln sich im Publikum, und das Publikum bestimmt Kraft und Intensität der Performance mit. (...) „ortszeit“ spürt den tiefen Geheimnissen des Waldes nach und lässt sie uns kreativ erleben: Mit barbarischen Zwischenwesen, verborgenen Schatten und bewegten Bildern, verwunschenen Klängen aus archaischen Instrumenten und wundersamen Gestalten. Wir befinden uns in schemenhaften Szenen zwischen Wahn und Wirklichkeit; herzerfrischenden, von tierischer Vitalität; ein kühler Hauch von Todesahnung mag uns streifen – aber die unendlich zarte, friedvolle Stille berührt uns. (...) Man stelle sich diese Atmosphäre vor: Hundertzehn Menschen – darunter viele Kinder – nahmen eine gute Stunde lang jedes Geräusch aufmerksam wahr – ohne eines zu verursachen. Das schafft kein Festspiel-Konzert. Auf dem Großen Asitz ist es erstaunliche Wirklichkeit. Das wäre eines der Wunder dieser Produktion – ein anderes spielt sich in den Gesichtern der Zuschauer ab. (...) Das künstlerische Ereignis im Pinzgauer Wald bringt sie zum Leuchten. (...) |
Waltraud Prothmann, Frau im Spiegel Oktober 2010 |
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